Wie viel Geld wir wirklich für ein gutes Leben brauchen, ist sehr individuell. Und es gibt inzwischen unzählige Studien über den Zusammenhang von Geld und Glück. Forschende gingen lange davon aus, dass Menschen mit höherem Einkommen durchaus glücklicher sind – allerdings nur bis zu einer Höchstgrenze von rund 60.000 Euro im Jahr. Darüber stieg die Lebenszufriedenheit laut den vergangenen Studien nicht mehr an.
Ein Psychologe hat nun aber herausgefunden, dass diese Grenze offenbar doch nicht existiert und das Glücksempfinden auch darüber hinaus nicht unbedingt stagniert. Die Gründe dafür sind überraschend.
Studie: Sind Menschen mit mehr Geld zufriedener?
Matthew Killingsworth forscht an der Wharton School im Bundesstaat Pennsylvania über das Glücksempfinden der Menschen. Für eine Studie hat er etwa 1,7 Millionen Datensätze von mehr als 33.000 US-Amerikaner:innen zwischen 18 und 65 Jahren untersucht – allesamt festangestellt im Job. Die Teilnehmenden haben dafür Momentaufnahmen ihrer Lebenszufriedenheit im Alltag geteilt.
Killingsworth bestätigt mit seiner Untersuchung den Konsens, dass mehr Geld das Zufriedenheitsgefühl der Menschen positiv beeinflussen kann. Allerdings widerspricht er in einem entscheidenden Punkt: Das Einkommens-Plateau von etwa 60.000 Euro, über dem das Glücksempfinden nicht mehr steigen soll, konnte der US-Psychologe nicht bestätigen. Seinen Erkenntnissen nach gibt es bei der Höhe des Einkommens keine Grenze, ab der es nicht mehr zufriedener macht.
Matthew Killingsworth sieht seine Studie als aussagekräftiger als vorherige an, und das hängt vor allem mit der Methodik zusammen. Er hat mit einer Technik namens "Experience Sampling" gearbeitet, bei der die Teilnehmenden jeden Tag an zufällig ausgewählten Zeitpunkten Umfragen zu ihrer Zufriedenheit ausfüllen sollten. "Das verrät uns, was wirklich im Leben der Menschen passiert, und zwar während sie es leben", erläutert der Wissenschaftler.
Im Gegensatz dazu haben die meisten bisherigen Studien zum Themenkomplex Geld rückblickend die Zufriedenheit des gesamten Lebens untersucht und beurteilt. Killingsworth aber hat den Fokus auf eine sehr große Menge von Momentaufnahmen gelegt und bekam so ein realitätsnäheres Bild.
Geld = Kontrolle: Wieso Geld wirklich glücklich macht
So fand der Psychologe etwa heraus, dass Menschen mit höherem Einkommen im Schnitt glücklicher sind als welche mit niedrigerem Gehalt – und zwar unabhängig von der Höhe des Einkommens. Diese Erkenntnis beruht laut Killingsworth vor allem darauf, dass wohlhabendere Menschen durch ihr Geld ein größeres Gefühl der Kontrolle über ihr Leben haben. Es scheint also gar nicht unbedingt um materielle Aspekte zu gehen, die uns glücklicher machen.
"Wenn man mehr Geld hat, hat man mehr Auswahlmöglichkeiten darüber, wie man sein Leben gestalten möchte", erklärt der Wissenschaftler. "Das kann man gut in der Pandemie sehen. Menschen, die gerade so mit ihrem Geld hinkommen und dann ihre Arbeit verlieren, müssen den erstbesten neuen Job annehmen, um über die Runden zu kommen – auch wenn sie ihn nicht mögen. Menschen mit einem großen finanziellen Polster können warten, bis sie ein Angebot bekommen, das ihnen zusagt." So gebe Geld Menschen bei kleinen und großen Entscheidungen des Lebens mehr Optionen und ein größeres Gefühl der Unabhängigkeit.
Viele Menschen messen Geld eine zu große Bedeutung bei
Darüber hinaus konnte die Studie zeigen, dass Menschen, die Erfolg mit Geld gleichsetzen, tendenziell unzufriedener waren als solche, die ihren Lebenserfolg unabhängig vom Geld betrachtet haben. Außerdem arbeiten Menschen mit höherem Einkommen laut den Ergebnissen der Untersuchung mehr und fühlen sich zeitlich oft stärker unter Druck.
Menschen mit sehr hohem Verdienst können also durchaus glücklicher sein als Personen mit niedrigerem Einkommen. Trotzdem sieht Matthew Killingsworth Geld als entscheidenden Faktor zur Lebenszufriedenheit nicht bestätigt. "Wenn überhaupt", sagt er, "messen die Menschen Geld oft eine zu große Bedeutung bei, wenn sie darüber nachdenken, wie gut ihr Leben läuft."
Es wäre also durchaus ratsam, dem Thema Geld etwas weniger Wert zu geben und stattdessen an unserem Kontrollempfinden zu arbeiten. Denn je besser wir verstehen, dass wir die äußeren Umstände nicht so stark kontrollieren können, wie wir oft glauben, desto schneller wird uns klar, welche Faktoren stattdessen eine Rolle für unser Lebensglück spielen – und wie stark wir auf diese selbst einwirken können.
Bedeutet viel Geld automatisch Erfolg? Wie wir ein gelungenes Leben besser definieren können
Natürlich ist es für Menschen, die an der Armutsgrenzen leben, wie Killingsworth selbst sagt, nicht so einfach, sich solche Fragen überhaupt zu stellen. Denn selbstverständlich spielt Geld für ihr Leben eine große Rolle, der Mangel an finanziellen Mitteln verwehrt ihnen häufig die Kontrolle über ihre Lebensentscheidungen.
Aber ab einem gewissen Einkommen geht es beim Thema Geld meist mehr um das eigene Ego. Wir neigen dazu, uns mit anderen zu vergleichen, die vermeintlich glücklicher sind, weil sie ein höheres Einkommen haben. Dabei sollten wir uns bewusst machen, dass ja: Geld ein Faktor ist, der unsere Zufriedenheit beeinflussen kann – aber er ist eben nur einer von vielen.
Die Qualität unserer zwischenmenschlichen Beziehungen, unsere Gesundheit, die Menge an uns zur Verfügung stehender Zeit und wie wir diese nutzen, wie viel Freude uns unsere Arbeit macht und viele andere Aspekte sind mindestens genauso wichtig für ein gelungenes Leben. Denn ironischerweise sorgt gerade die hohe Bedeutung, die wir Geld beimessen, oft für ein Gefühl des Misserfolgs.
Verwendete Quellen: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, penntoday.upenn.edu
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