Als Queen Elizabeth, †96, Mitte Juli 2022 nach Balmoral reiste, war es anders als in den vielen Jahren zuvor. Seit Kindheitstagen verbrachte die Monarchin die Sommermonate im schottischen Schloss am Fluß Dee. Die spröde Landschaft und das raue Klima halfen ihr, den staatstragenden Kopf buchstäblich einmal durchpusten zu lassen. Picknicks, lange Spaziergänge mit ihren geliebten Corgies und ausgedehnte Ausritte gaben ihr ein Gefühl der Freiheit, das sie mit der Inthronisation im Jahr 1952 mit dem Prinzessinnentitel abgeben musste. Hier lebte sie auf – und hierher kam sie, um ihre Augen für immer zu schließen.
Korrespondentin über Queen Elizabeth: „Sie wollte dort sterben“
"Ich denke tatsächlich, dass ein Teil von ihr wusste, dass sie nicht zurückkommen würde. Ich glaube, sie wollte auf Balmoral sein und dort sterben", ahnte auch Katie Nicholl, königliche Korrespondentin von "Vanity Fair", wenige Tage nach dem Ableben der Monarchin im Gespräch mit BBC anlässlich des Dankgottesdienstes für die verstorbene Königin.
Sarg-Prozession von Queen Elizabeth (†) Die Royal Family begleitet sie auf ihrer letzten Reise
Queen Elizabeth hatte in den letzten Monaten vor ihrem Tod immer wieder mit physischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Ihre Mobilität war eingeschränkt. Trotzdem entschied sie sich dazu, den beschwerlichen Weg von Schloss Windsor, ihrem letzten Hauptwohnsitz, nach Schottland auf sich zu nehmen. Ihre Herzensheimat hat offenbar nach ihr gerufen. "Diese Entscheidung spricht Bände darüber, dass sie sich sehr wohl damit gefühlt hat, in Balmoral zu sein, an einem Ort, an dem sie glücklich war, mit vielen guten Erinnerungen. Aber sie wusste auch, dass es mit gesundheitlichen Problemen und den damit verbundenen Herausforderungen dort ein schwieriger Aufenthalt sein würde. Und doch bestand sie darauf, die Reise anzutreten", analysiert Nicholl die mutmaßlichen Beweggründe der Monarchin, diese letzte Reise nach Aberdeenshire anzutreten. Die Königin zog es an ihren Seelenort. "Sie bestand darauf, die Reise zu machen, und sie war die Königin der Schotten, und ich glaube, sie wollte, dass dies Teil ihrer Heimkehr ist, ihrer ultimativen Heimkehr."
Balmoral war ein Seelenzuhause für die königliche Familie
Nicholl selbst zeigte sich wie viele Millionen Menschen weltweit zutiefst bewegt von den Bildern aus Schottland: Die Queen verlässt in ihrem Sarg das Zuhause, das ihr am meisten eines war. "Ich denke, Balmoral war der einzige Ort, an dem sie ihre Krone tatsächlich vor den Toren lassen und eine andere Rolle spielen konnte: Mutter, Großmutter, Urgroßmutter."
Balmoral war alles andere als nur Prunk und Herrenhausromantik. Das Anwesen steckte voller wertvoller Erinnerungen. Hier ging es um die Familie, um ausgelassene Stunden fernab vom Auge der Öffentlichkeit.
Prinz Philip, †99, soll die Aufenthalte dort ebenfalls geliebt haben. Seine legendären Grillabende versammelten Familie und Freund:innen. Eine Zuneigung zu einem Ort, ein leidenschaftlicher Funke, der auch auf die nächsten Generationen übersprang: Nicht nur die Kinder des Paares, auch die Enkel- und Urenkelkinder freuten sich auf die Zeit in den Highlands. Glückliche Erinnerungen, denen Prinz William, 41, in einem rührenden Trauerpost für seine Großmutter am Samstag, 10. September 2022, mit nur einer Zeile Ausdruck verlieh: "Meine drei Kinder konnten die Ferien mit ihr verbringen und dabei Erinnerungen gewinnen, die sie ihr Leben lang mit sich tragen werden."
„Es ist der schönste Ort der Welt“
Noch deutlicher drückte Jahre zuvor Prinzessin Eugenie, 33, die familiäre Liebe für Balmoral aus: "Es ist der schönste Ort der Welt. Ich glaube, Oma ist dort am glücklichsten. Ich denke, sie liebt die Highlands wirklich sehr", sagte sie 2016 in der TV-Dokumentation "Our Queen at Ninety“. Die Tochter von Prinz Andrew, 63, fasste die Faszination der Windsors für diesen Ort so zusammen: "Spaziergänge, Picknicks, Hunde – viele Hunde, es gibt immer Hunde – und die ganze Zeit kommen Leute rein und raus. Es ist eine schöne Basis für Oma und Opa, damit wir sie dort oben besuchen können, wo man Platz zum Atmen und Laufen hat."
Prinzessin Anne, 73, beschreibt ähnliche Gefühle, wenn sie über Balmoral spricht. Das schottische Schloss und seine Umgebung spiegelten all das, was ihre Mutter genoss, darunter "die Landschaft, die Hunde, die Pferde und einfach nur unterwegs zu sein und sich ein wenig von diesem öffentlichen Blick entfernen zu können“, erklärte sie in der BBC-Sendung "A Tribute To Her Majesty The Queen" aus dem Jahr 2002 anlässlich des goldenen Thronjubiläums der Königin. Prinz Edward, 59, ergänzte in der TV-Doku: "Die glücklichsten Zeiten, die wir zusammen verbrachten, waren unweigerlich die Ferien. Daher stechen Balmoral und Sandringham ganz klar als Lieblingsorte hervor."
„Hier oben ist der Himmel“
Schloss Balmoral ist seit 1852 im Besitz der königlichen Familie. Queen Victorias Ehemann Albert hatte es damals erworben. Neben dem Landsitz Sandringham in Norfolk ist es das einzige Anwesen, das sich im Privatbesitz der königlichen Familie befindet. Queen Elizabeth hielt sich in der Regel von Juli bis Oktober dort auf. Komplett abschalten konnte sie allerdings nie. Der berühmte rote Aktenkoffer, die "Dispatched Box" mit wichtigen Regierungsunterlagen, begleitete sie auch in den Urlaub. Dennoch verschaffte ihr die unbeschreibliche Natur die Einsamkeit und Stille, die sie nach den anstrengenden Monaten im Dienste der Krone so dringend brauchte. Juwelen und Robe wurden gegen Gummistiefel und Wachsjacke getauscht.
Balmoral war ein Ort der Distanz für Elizabeth – zu London und ihren herausfordernden Aufgaben. Aber auch ein Flecken der Nähe mit ihrer Familie und vor allem mit ihrem Philip. An jenem Platz machte er ihr 1946 einen Heiratsantrag. Ein unvergesslicher Moment. Nach der Hochzeit verbrachte das Paar eine glückliche Zeit im geliebten Hochland. In einem Brief an Queen Mum, †101, schrieb sie damals: "Hier oben ist der Himmel." Sie war ihm dort also immer schon nah.
Verwendete Quellen: bbc.com, instagram.com
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