Falco-Musical: Hit-Hommage an einen zerrissenen Popstar

Emotion und Exzentrik, Erfolg und Eskapaden: Das schillernde wie tragische Leben des Hans Hölzel, der als Falco zum größten Popstar Österreichs avancierte, scheint wie gemacht für die Bühne. Mit „Rock Me Amadeus“ ist im Ronacher nun 25 Jahre nach seinem frühen Tod die Vita des Falken mit allen Höhenflügen und Abstürzen als opulentes Musical-Spektakel zu sehen, das entlang großer Hits und vier neuer Songs nicht zuletzt die Zerrissenheit des Künstlers in den Blick nimmt.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Musik des am 6. Februar 1998 und damit kurz vor seinem 41. Geburtstag bei einem Autounfall in der Dominikanischen Republik verstorbenen Künstlers den Soundtrack für ein Musical liefert. Bereits im Jahr 2000 feierten sowohl das Hightech-Bühnenspektakel „F@lco – A Cyber Show“ unter der Regie von Paulus Manker im Ronacher, als auch Elmar Ottenthals „Falco meets Amadeus“ in Berlin ihre Uraufführung. 2017 schließlich hatte „Falco – Das Musical“ in Kempten Premiere.

Mit „Rock Me Amadeus“ wollte das Team der Vereinigten Bühnen Wien nun ein Stück auf die Beine stellen, das nicht als Nummernrevue funktioniert, sondern entlang der Songs, aber auch mit Dialogszenen ein tiefergehendes Musiktheater-Biopic erzählt, wobei die Lieder nicht nach der Chronologie ihrer Entstehung aneinandergereiht werden, sondern sich der narrativen Dramaturgie unterordnen. Am Beginn der dreistündigen Show – zwei Mal 75 Minuten plus Pause -, die am Samstagabend Premiere feierte, steht Falcos Begräbnis. Noch mitten im „Kyrie eleison“ entsteigt plötzlich der eben Verblichene seiner letzten Ruhestätte, um zu konstatieren: „In Wien musst‘ erst sterben, damit sie dich hochleben lassen.“

Und nun beginnt der Held des Abends, immer wieder die vierte Wand durchbrechend, seine Lebensgeschichte zu erzählen. Schon früh träumt der Bursch von einer Karriere als Popstar, übt im Kinderzimmer am Bass, landet bald bei Drahdiwaberl und hat mit „Ganz Wien“ seine erste Solonummer. Hurtig geht es voran mit der Entwicklung vom sensiblen Träumer zum unnahbaren Exzentriker. Nach U4-Auftritten, dem ersten Plattenvertrag und dem großen Durchbruch mit „Der Kommissar“ folgen schon bald erste Krisen. Hoher Erwartungsdruck durch Plattenlabelboss Markus Spiegel und Manager Horst Bork – beide waren in die Entwicklung der Produktion eingebunden -, Kreativblockaden und das ewige Rampenlicht zehren am Menschen Hans Hölzel.

Die schnellen Schauplatzwechsel werden smart gelöst. Statt aufwendiger Umbauten schweben immer wieder begehbare Glasboxen als kleine Bühnen in der Bühne von oben oder der Seite vor die mit Visuals bespielte Rückwand. Überhaupt dominieren Raster und Rechtecke das Bühnenbild – seien es fahrbare Würfel als vielseitig einsetzbare Möblierung, Türme von Lautsprecherboxen oder verspiegelte Paneele an der Decke.

Die erste Hälfte endet mit jenem titelgebenden Welthit, der Falco seinen Karrierezenit bescheren und gleichzeitig seinen tragischen Absturz einläuten sollte. Denn als „Rock Me Amadeus“ im März 1986 auf Platz 1 der US-Billboard-Charts kletterte, war dem Falken bekanntlich klar, dass es besser nicht mehr werden wird: „Ab jetzt geht’s bergab.“ Zunehmender körperlicher Verfall, die zerbrochene Beziehung mit Frau Isabella, ein negativer Vaterschaftstest und gecancelte Auslandstourneen sind die Beschleuniger dieses Sturzflugs.

Um die den zweiten Teil dominierende Zerrissenheit zwischen Kunstfigur und Mensch zu zeigen, wird die Figur des „Alter Ego“ eingeführt. Dieser Dämon im Glitzerjackett, der als Gegenspieler im nun die Bühnenausstattung beherrschenden überdimensionalen Kopf des Musikers sein Unwesen treibt, zerrt Hans weiter ins Rampenlicht und verleitet ihn zu Hochprozentigem und Drogen, während dieser sich doch nur nach „Haus, Kind und Frau“ sehnt.

Der Abend lebt vor allem von der Leistung des erst 23-jährigen Hauptdarstellers Moritz Mausser, der in seiner ersten großen Rolle im Dauereinsatz ist und dem unverkennbaren Tonfall seines Helden in Sprache und Gesang bewundernswert nahe kommt. Und Tania Golden gibt eine herrlich resolut-überbehütende Mutter Maria, die teilweise an Mama Schoitl aus dem Kaisermühlen Blues erinnert.

Alles in allem kommt dieser Versuch eines Psychogramms angesichts der vielen verbürgten Eskapaden Falcos erstaunlich clean daher. Alkoholexzesse, ausufernder Drogenkonsum, Gewalt gegen die Partnerin und die Auswüchse eines schwierigen Charakters werden hier wohl zwecks Familientauglichkeit lediglich angedeutet. Musikalisch rocken Hits wie „Auf der Flucht“, „Der Kommissar“, „Ganz Wien“, „Jeanny“, „Junge Römer“ oder „Out of the Dark“ selbst dann noch ordentlich, wenn sie u.a. dank großzügigem Choreinsatz auf Musical-Sound gebürstet sind und so vor allem den frühen Großtaten die kühl-funkige Knackigkeit genommen wird.

Lieber verzichten sollen hätte man indes auf die vier neuen Songs aus der Feder des niederländischen Produzentenduos Ferdi und Rob Bolland – sie haben damals auch für den Megahit „Rock Me Amadeus“ verantwortlich gezeichnet -, die an Kitsch und Banalität („Hab den Mut und leb deinen Traum, du musst nur dir selber vertrauen“) nichts vermissen lassen.

Am Schluss kommt es, wie es kommen muss. Aus einem rhythmischen Piepsen wird ein langer Herzton. Aber dann hebt das Ensemble noch einmal zu einer Reprise von „Coming Home“ an. Das Publikum spendet Standing Ovations. Falco hat, wenn schon nicht im echten Leben, so zumindest im Ronacher ein glückliches Zuhause gefunden.

(S E R V I C E – „Rock Me Amadeus – Das Falco Musical“ im Wiener Ronacher; Buch: Christian Struppeck; Regie: Andreas Gergen, Musik: Ferdi und Rob Bolland, Robert Ponger; Musikalische Leitung: Michael Römer; Choreografie: Anthony van Laast; Bühnenbild: Stephan Prattes; Kostümbild: Uta Loher, Conny Lüders; Mit Moritz Mausser – Hans, Alex Melcher – Alter Ego, Andreas Lichtenberger – Horst, Katharina Gorgi – Isabella, Tania Golden – Maria, Franz Frickel – Markus, Simon Stockinger – Billy, u.a.; Weitere Vorstellungen fixiert bis Juni 2024; )

(APA)

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